EMSDETTEN/GREVEN/SAERBECK. Wenn Sybille Koloske ihre Arbeit in der Schulassistenz der LWL-Förderschule in Münster antritt, ist sie immer konzentriert. „Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, muss ich ganz bei der Sache sein. Nebenbei – das geht nicht“, sagt die 45-Jährige. Die Mitarbeiterin des Caritasverbandes Emsdetten-Greven ist stark hörgeschädigt, an der Grenze zur Taubheit. Ihren Arbeitsalltag bewältigt sie dennoch: mit Unterstützung modernster Technik und ihrer Fähigkeit, Sprache vom Gesichtsbild ihres Gegenübers ablesen zu können. Sie ist eine von 23 Mitarbeitern des Caritasverbandes mit einer Schwerbehinderung. Die Betroffenen bringen eine wertvolle Innensicht in ihren Berufsalltag.
Denn einer der Schwerpunkte des Caritasverbandes Emsdetten-Greven ist die Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Seit knapp fünf Jahren arbeitet Sybille Koloske für den Verband in der Schulassistenz in Münster sowie in der individuellen Schwerbehindertenbetreuung im Ambulant Betreuten Wohnen in Greven. Um überhaupt noch etwas hören zu können, nutzt Sybille Koloske zwei leistungsstarke Hörgeräte. Außerdem hat sie immer ein Sprachübertragungsgerät dabei, eine Art Richtmikrofon, das die Gespräche in ihrem Umfeld direkt auf die Hörgeräte überträgt.
„Die Behinderung darf im Arbeitsalltag nicht das Problem sein“, betont Guido Gehrmann. Als Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes im Caritasverband Emsdetten-Greven ist er Ansprechpartner für die Belange von hörgeschädigten Mitarbeitern in den verschiedensten Unternehmen im Kreis Steinfurt. Er informiert Arbeitgeber und Arbeitnehmer über technische Hilfsmittel und vermittelt bei Problemen im Berufsalltag. Dass der Caritasverband selbst Arbeitgeber für hörgeschädigte Menschen ist, wertet er als großen Vorteil. „Unsere Mitarbeiter kennen den Umgang mit den technischen Geräten und sind näher an den Problemen von Betroffenen im Arbeitsalltag“, sagt Gehrmann.
Das gilt für die unterschiedlichsten Formen von Behinderung. „Wir beschäftigen neben hörgeschädigten Mitarbeitern auch sehgeschädigte Menschen und solche mit sehr unterschiedlichen körperlichen Beeinträchtigungen“, sagt Caritas-Geschäftsführer Bernward Stelljes. Um den Arbeitsalltag bewältigen zu können, setzt der Caritasverband alle Hilfsmittel ein, die die entsprechende Behinderung erforderlich macht. „Wir haben Gebärden-Dolmetscher bei Dienstbesprechungen dabei, nutzen einen Fahrdienst für einen sehgeschädigten Mitarbeiter sowie ein spezielles iPad“, nennt Bernward Stelljes Beispiele.
Inga Stecknitz, gehörlose Erzieherin, arbeitet seit 2007 im Caritasverband in der Wohngruppe für hörgeschädigte Menschen im Grotthoff-Dahlmann-Stift in Emsdetten und in der Betreuung im Offenen Ganztag der LWL-Förderschulen in Münster. Wenn die Schüler dort in der Mittagszeit eintreffen, wird es lebendig. Als Muttersprachlerin in der Gebärdensprache kann sie sich problemlos mit den hörgeschädigten Kindern unterhalten. Schnell ist sie umringt von Kindern. „Für die Kinder ist Inga Stecknitz ein gutes Vorbild, dass sie etwas erreichen können, auch wenn sie nicht hören“, ist Guido Gehrmann überzeugt.
Eine Hürde stellt für die Erzieherin zuweilen der Umgang mit Kollegen dar. Deshalb hat sie Anspruch auf einen Gebärden-Dolmetscher für berufliche Termine. „Für mich wäre es natürlich am Schönsten, wenn alle Menschen gebärden könnten“, gibt sie mit einem Lächeln zu verstehen. „Aber im Berufsalltag geht es schon ganz gut, wenn die Menschen offen und bereit sind, sich auf Augenhöhe mit Gehörlosen zu treffen“, meint sie. Inga Stecknitz ist Vorsitzende der Schwerbehinderten-Vertretung im Caritasverband. In ihrer Freizeit leitet sie den Caritas-Gebärdenchor für hörende und hörgeschädigte Menschen. Weil der Caritasverband so viele hörgeschädigte Menschen betreut, gibt es im Mitarbeiterteam viele, die die Gebärdensprache beherrschen und übersetzten können. Telefonate hat Inga Stecknitz bisher an Kollegen delegiert. Seit kurzem aber kommt sie in den Genuss von „TESS“, einer Art Videokommunikation via Dolmetscher.
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Insgesamt beschäftigt der Caritasverband Emsdetten-Greven aktuell 23 Mitarbeiter mit einem Schwerbehinderten-Ausweis. „Das entspricht einer Quote von etwa sieben Prozent“, sagt Geschäftsführer Bernward Stelljes. Sein Verband lebe schon lange das, was in der aktuellen Diskussion zum Thema Inklusion gefordert wird. Dabei legt Bernward Stelljes Wert darauf, dass bei Einstellungen die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter im Vordergrund steht. „Einen besonderen Bonus haben Mitarbeiter mit Behinderung bei uns nicht“, betont er.
In ihrem Arbeitsalltag im Offenen Ganztag an den LWL-Förderschulen in Münster müssen die Caritas-Mitarbeiterinnen Sybille Koloske (l.) und Inga Stecknitz manche Hürde überwinden. Als hörgeschädigte Menschen nutzen sie Hilfsmittel zur Kommunikation im beruflichen Umfeld.